Derny-Bahnradsport x #FemaleFutureAthletes: 9 Fragen an Andrea Paggel

Mrz 1, 2021

2.609,45€. Das ist der Betrag, den der Bahnradsport Bayern e.V. mit Hilfe eines Crowdfundings-Projekts auf fairplaid.org sammeln konnte. Das ursprüngliche Ziel von 900€ wurde somit deutlich übertroffen, auch dank des #femalefuturesathletes-Fördertopf. Gestartet wurde das Projekt von Andrea Paggel, Schatzmeisterin und Vorstandmitglied. Im Interview mit uns, spricht sie über den Derny Sport, Chancengerechtigkeit und was sie mit dem Geld nun machen möchten.

Hallo Andrea, welches Ziel verfolgt der Bahnradsport Bayern e.V.?

Bahnradsport Bayern e.V. hat sich vor einem Jahr gegründet. Unser Ziel ist es, insbesondere im Nachwuchsbereich Bahnradsport in den Bereichen Leistungssport, Inklusion und Breitensport anzubieten. Dazu veranstalten wir Trainings, Tandem-Bahnradsport zusammen mit Blindenschulen, Bahnradtage in Kooperation mit der futhuk Jugendhilfe sowie Rennen für Nachwuchssportler*innen.

Wie kam es zu der Idee, einen Verein dazu zu gründen?

Wir sind alles Bahnradsport-Enthusiasten. Stefan, unserer Trainer, organisiert schon seit einigen Jahren Derny-Rennen für Erwachsene und auch für U17, U19 Fahrer*innen und mir war lange nicht bewusst, dass dies in Deutschland nicht der Normalfall ist, sondern die Ausnahme.

Nicht jedem*r ist Derny ein Begriff. Wie würdest du der Person den Sport beschreiben?

Kathi, eine unserer Fahrerin, beschreibt es wie folgt: „Das ist wie Formel 1 fahren, wenn man sonst nur im Familienauto unterwegs ist“. Der Derny-Bahnradsport ist eine von vielen Varianten des Bahnradsports – und wer es kennt, ist davon begeistert! Im Windschatten mit bis zu 70 km/h über die Radrennbahn zu fegen, ist etwas für Enthusiast*innen – und erzeugt leuchtende Augen!

Gibt es den Sport denn schon lange?

Bereits in den 50er Jahren gab es Derny-Rennen für Männer und Frauen, aber irgendwann wurden keine Derny-Rennen mehr als Deutsche Meisterschaft ausgetragen. 2014 haben sich diverse Bahnfahrer wieder für die Derny-DM eingesetzt und der Sport wurde „reaktiviert“ – aber damals standen nur die Männer im Fokus. Mittlerweile gibt es ca. 10 Rennen für sie im Jahr. Für Frauen gibt es bis heute keine Deutsche Meisterschaft und auch nur ein offizielles Rennen im Jahr. Durch die sehr wenigen Renn- und Trainingsmöglichkeiten für Mädchen und Frauen gibt, gibt es entsprechend wenige Fahrerinnen – und kaum Chancen für sie, den Sport auszuprobieren.

Also brauchen Frauen und Mädchen im Derny-Sport eine besondere Förderung?

Jein. Eigentlich brauchen wir keine besondere Förderung, nur das gleiche Angebot an Trainings und Rennen. Je nach Vorlieben, Training und sportlichen Interessen wird Derny-Bahnradsport geliebt oder abgelehnt, als Trittfrequenz-Training gefahren oder um des Wettkampfs willen – und diese individuelle Vorliebe liegt nicht daran, ob jemand Mädchen, Junge, Mann oder Frau ist.

Besteht denn generelles Interesse?

Auf jeden Fall! Wir haben im Gründungsjahr 36 Vereinsmitglieder als aktive Sportler*innen aufgenommen – davon 1/3 Mädchen. Unser Erfahrung nach braucht es nur das entsprechende Angebot an Nachwuchs-Trainings und das Bewusstsein der Trainer*innen und Veranstalter*innen, das Mädchen ebenso gerne wie Jungen alle Bahnradsport-Varianten fahren.

Andrea Paggel luckt zwischen einem Fahrrad hervor. Sie trägt eine Maske.

Mit Hilfe des Crowdfunding-Projekts und dem #femalefutureathletes-Fördertopf wollt ihr nun ein größeres Angebot schaffen. Wie habt ihr vom Fördertopf gehört?

Tobias Bachsteffel, unser 1. Vorsitzender und Bundestrainer für Paracycling, hat von Equaletics und dem Fördertopf gehört und wir freuen uns, dass wir unterstützt werden. Unser Vereinsziel ist es, Nachwuchstraining in alle Sparten des Bahnradsports anzubieten, für Leistungssport ebenso wie für Paracycling – und dies geht nur mit Fördergeldern, da wir von Jugendlichen keine hohen Trainings-/Teilnahmegebühren erwarten können und diverse Sportgeräte (Single-Bahnräder zum Verleihen, Tandem-Bahnräder für Paracylcing etc.) benötigen. Durch die Vorbereitung des Projekts wurde mir auch nochmal so richtig bewusst, dass der Derny-Bahnradsport aktuell deutschlandweit noch nicht gleichberechtigt angeboten wird.

Wofür wollt ihr das Geld genau einsetzen?

Die Durchführung eines Derny-Rennens kostet ca. 850€, und auch beim Derny-Training entstehen Kosten. Die Möglichkeiten, Sponsorengelder zu bekommen, sind begrenzt (insbesondere, wenn keine Zuschauer*innen erlaubt sind) – und ohne den obligatorischen „Kuchenverkauf an Zuschauer*innen“ ist die Finanzierung noch schwieriger. Wir erhoffen uns auch Zuschüsse vom Verband. Zusammen mit der #femalefutureathletes Crowdfunding-Kampagne können wir jetzt in 2021 vier Derny-Rennen und vier Derny-Trainings anbieten, worüber wir uns sehr freuen!

Also würdest du den #femalefutureathletes Fördertopf weiterempfehlen?  

Ja! Die Unterstützung von fairplaid und Equaletics war sehr gut! Und ehrlicherweise haben wir viele Spenden nur bekommen aufgrund der Zusage des #femalefutureathletes-Fördertopfs, und dem damit verbundenen Zuschuss. Am wichtigsten ist trotzdem die eigene „Crowd“, ohne die die Realisierung des Projekts nicht möglich gewesen wäre. Zudem braucht es ein klares Ziel und im Idealfall einen konkreten Anlass, um auch Bekannten von Bekannten zum Unterstützen zu animieren.

Unabhängig vom Fördertopf: Was wünschst du dir für den Derny-Sport in der Zukunft?

Ich wünsche mir, dass es unwichtig ist, ob es ein Rennen für Frauen/Mädchen oder Männer/Jungen ist. Egal, ob hinter der Ausschreibung „m“ oder „w“ steht – in beiden Fällen werden Rennen und Trainings angeboten, die Preisgelder sind identisch, die ausgeschriebenen Meisterschaften sind gleich – und die Namen der besten Sportler*innen sind unabhängig vom Geschlecht bekannt. Zudem wünsche ich mir mehr Vorbilder, auch mit Blick auf Teams. Vorreiter sind für mich hier die „Legion of Los Angeles“ und „Star Track“ (Radsport-Nachwuchsverein in New York).

Danke für das Interview!

Skip to content