Die Gleichheit aller Menschen vor dem Gesetz ist ein wichtiges Merkmal eines jeden Rechtstaats. Als Grundlage einer freiheitlich-demokratischen Ordnung wird sie nicht nur im deutschen Grundgesetz sondern auch in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte betont. Ebenso selbstverständlich scheint, dass alle in der Gesellschaft gleiche Chancen haben sollten – sei es im Hinblick auf Teilhabe, auf Bildung, auf Beschäftigung oder den Zugang zu Sport. Faktoren wie Alter, Geschlecht, nationale oder soziale Herkunft sollten nicht darüber entscheiden, ob Menschen ein Sportangebot wahrnehmen, eine Sportanlage nutzen oder eine Führungsposition in einem Verein oder Verband übernehmen können.
Bedeutet also nur Gleichheit auch Gerechtigkeit?
Ganz so einfach ist es nicht. Denn häufig ist die Wahl eines Begriffes eine Frage der Abwägung, der Definition und Interpretation. Nicht anders verhält es sich in unserem Falle: Über das Wesen und Verhältnis von Gleichheit und Gerechtigkeit wird in der Philosophie, Ethik und politischen Theorie seit Jahrhunderten debattiert.
In der englischen Sprache wird der gesellschaftliche Prozess und Zustand, der von uns und vielen anderen angestrebt wird, mit einer Vielfalt an Begriffen beschrieben – equality, justice, equity, fairness.Ein jeder davon deckt Vorstellungen ab, die andere Ausdrücke weniger berücksichtigen. Dies gilt auch für die Diskussion über Gleichheit und Gerechtigkeit.
Manche erklären, Chancengleichheit sei eine empirische, also mess- und beobachtbare, Chancengerechtigkeit eine normative, also handlungsweisende und wertende Kategorie. Andere kritisieren Chancengleichheit als „sozialistische Gleichmacherei“ oder Chancengerechtigkeit als „konservativen Kampfbegriff“. Wieder andere betonen, dass entscheidend sei, ob Zustände ex-ante, im Voraus,oder ex-post, im Nachhinein,als gleich oder gerecht betrachtet werden.
Das Für und Wider
Wir von Equaletics haben uns nach langem Überlegen und Diskutieren dazu entschlossen, vorwiegend den Begriff „Chancengerechtigkeit“ zu nutzen.
Drei der Gründe, die zu diesem Entschluss geführt haben, möchten wir kurz erläutern: Erstens schließen sich Chancengerechtigkeit und Chancengleichheit nicht gegenseitig aus. Ganz im Gegenteil: Es gibt eine große Schnittmenge. Der Kampf für gerechtere Strukturen geht beispielsweise häufig mit der Forderung nach gleichberechtigter Teilhabe einher. Zweitens werden mit Chancengleichheit zwar gleiche Chancen gefordert, nicht aber betont, auf welchem Niveau diese sich bewegen sollen. Demzufolge wäre das Nichtvorhandensein jeglicher Chancen in gewisser Weise chancengleich, nicht aber chancengerecht. Drittens, mit Blick auf sozioökonomische Disparitäten, vorhandene Diskriminierungen und weitreichende Unterrepräsentation, geht die Forderung nach gleichen Chancen in vielen Fällen nicht weit genug. Für eine aktive Überwindung der ungleichen Zustände bedarf es Lösungsansätzen, die über bloße Gleichheitsforderungen hinaus gehen (vgl. Affirmative Action). Häufig diskutiert werden in diesem Zusammenhang Quotenregelungen: Eine als ungerecht wahrgenommene Situation, etwa mangelnde Repräsentation von Frauen* oder Minderheiten, wird regulativ begegnet. Im Bestfall werden derartige Regelungen langfristig überflüssig, da durch den Abbau struktureller und systematischer Benachteiligung, zunehmend chancengleiche Strukturen etabliert werden.
Wir sind davon überzeugt, dass eine Gesellschaft, die allen Menschen gleiche Chancen ermöglicht, langfristig erreichbar ist. Bis dahin bedarf es, als Mittel zum Zweck, eines Ansatzes, der sensibel für bestehende Benachteiligungen, unterschiedliche Kontexte und Lösungsansätze ist. Vor diesem Hintergrund bedienen wir uns des Begriffs der Chancengerechtigkeit.
Wortwahl ist entscheidend. Wir hoffen, der Notwendigkeit sorgsamer Differenzierung sowie der Komplexität der Thematik mit unserer Forderung nach Chancengerechtigkeit angemessen Rechnung zu tragen. Nichtsdestotrotz zählt am Ende das, was wir tatsächlich für eine chancengerechte und gleichberechtigte (Sport-) Welt leisten.